Workshop am 23.2.2013 2013 im Museum für Sepulkralkultur Kassel Transmortale IV – Neue Forschungen zum Tod

Veranstalter:
Universität Hamburg (Prof. Dr. Norbert Fischer, Anna-Maria Goetz MA, Historisches Seminar/Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Susanne Möllers MA) und Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD), Stiftung Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur, Kassel (Prof. Dr. Reiner Sörries, Dagmar Kuhle), Kooperationspartner Berlin (Moritz Buchner MA, Stephan Hadraschek MA).
Die Themen Sterben, Tod und Trauer rücken seit einigen Jahren immer mehr in
den Fokus der fächerübergreifenden Forschung. Disziplinen wie z.B. die Soziologie, Psychologie, aber auch Geschichte, Geschlechterforschung und Medienwissenschaften interessieren sich für den Wandel der Trauer- und Bestattungskultur. Ziel der Transmortale ist es, aus unterschiedlichen Disziplinen und Ansätzen neue Forschungsperspektiven in Kurzreferaten vorzustellen und in einer größeren Fachrunde zu diskutieren – so können aktuelle Fragen und Ergebnisse interdisziplinär diskutiert und inhaltliche Gemeinsamkeiten transdisziplinär zusammengeführt werden. Die “Transmortale“-Tagung findet jährlich statt und bietet über den Workshop hinaus eine Plattform für das Forschungsfeld Sterben, Tod und Trauer https://transmortale.wordpress.com

Block I

Nach Begrüßung und Einführung begann die Kulturpädagogin und Kulturwissenschaftlerin INGA SCHAUB (Berlin) mit ihrem Vortrag „Pathologisierung des Trauerns? Zur Debatte um die „Persistent Complex Bereavement Related Disorder“. Sie zitierte PROF. REINER SÖRRIES aus dessen jüngster Publikation „Herzliches Beileid“ [1], einer Kulturgeschichte der Trauer: „Menschen trauern heute wie sie wollen, wann sie wollen und wo sie wollen“. Diese Arbeit bildet für Schaub den Ansatz ihrer Forschung.

Im Vortrag beschäftigte sie sich dann mit bestimmten kulturwissenschaftlichen Aspekten von Trauerkulturen der Gegenwart. Im breiteren Kontext ihres Dissertationsvorhabens fragt Schaub danach, ob mit einer „neuen Sichtbarkeit des Todes“ (Macho und Marek 2007) auch eine „neue Sichtbarkeit der Trauer“ einhergeht und wenn ja, welche normativen Maßstäbe in den verschiedenen Bereichen, in denen sie sichtbar wird, an die Trauer und das Trauern

angelegt werden; was also jeweils unter „guter“ und „schlechter“, „gesunder“ und „pathologischer“ Trauer verstanden wird. Schaub bezog sich auch auf Ergebnisse verschiedener Forschungsprojekte zu Gefühlen, an die sie anknüpft, wenn Sie danach fragt, innerhalb welcher Gefühlskultur die Frage, ob bestimmten Formen des Trauerns als psychische Krankheiten zu betrachten sind oder nicht, überhaupt erst gestellt werden kann.

Essentiell dabei ist die Frage, welche normativen Vorstellungen von affektivem Erleben es gibt, mittels welcher Maßstäbe Trauer und Trauern gemessen, bewertet und beurteilt wird. Schaub beschrieb, welche Herangehensweise an Normen des Trauerns sich in aktueller kulturwissenschaftlicher Literatur über Trauer und Trauern finden. Schaub zitierte Sörries bezüglich der Normen des Trauerns: „War ehedem die Trauer grundsätzlich verordnet und normiert, so gilt dies heute nur noch eingeschränkt, zum Beispiel bei offiziellen Anlässen wie dem genannten Volkstrauertag oder Akten der Staatstrauer sowie anderen öffentlichen Trauerfeiern.“

Spätestens mit der SPIEGEL-Ausgabe vom 21. Januar 2013 („Die Psycho-Falle“) sei auch in Deutschland eine Debatte in den Massenmedien angelangt, die in den USA schon länger von den wissenschaftlichen in die journalistischen Publikationen übergeschwappt war, so Schaub. Diese Debatte entspinnt sich um die vorgeschlagenen Veränderungen für das DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), das im Mai dieses Jahres erscheinen wird. Die Frage sei, so Schaub, ob wir mit dem DSM-5 Gefahr laufen, Pathologisierungen zu generalisieren und die Beschreibungen psychischer Krankheiten soweit auszudehnen, dass sich jedes Verhalten als pathologisches lesen lässt.

Der zweite Vortrag zum Themenkomplex „Trauer“ schloss mit dem Historiker und Kulturwissenschaftler CHRISTIAN KOHN (Leipzig) an: „Die Trauer als Maßstab des Glücks – Zur Rolle der Trauer in der Kritischen Theorie“. Kohn leitete ein mit dem von Adorno und Horkheimer im US-amerikanischen Exil publizierten Hauptwerk „Dialektik der Aufklärung“, in dem sich ein Aphorismus zum Thema eines Begriffes findet, der im Kontext der Kritischen Theorie bislang vernachlässigt wurde: Trauer. Formuliert wird dort unter der Überschrift „Theorie der Gespenster“ folgender Satz: Dass die Menschen „an den Toten die Verzweiflung darüber auslassen, dass sie ihrer selbst nicht mehr gedenken […]“. Kohn erläuterte den Aspekt der Verdrängung als Notwendigkeit der Hinterbliebenen, nicht an die eigene Endlichkeit erinnert zu werden. Trauer wird zum „Akt rationalisierten Vergessens“ gemacht und der zunächst sprachlose Impuls von Trauer werde durch „gesellschaftliche Formalität“ bevormundet, indem der Leichnam beispielsweise bei der Einäscherung zur „transportablen Asche, zum lästigen Eigentum verarbeitet wird“, so Kohn nach Adorno und Horkheimer. Entgegen der üblichen Auffassung, Trauer müsse ein zu bewältigender Prozess sein, betonten Adorno und Horkheimer den kreatürlichen und humanistischen Affekt angesichts eines unwiederbringlichen Verlustes. Bezeichnet wird dies von beiden als „Wundmal der Zivilisation“, dessen „asoziale Sentimentalität verrät, dass es immer noch nicht ganz gelungen ist, den Menschen aufs Reich der Zwecke zu verteidigen“. Gerade hinsichtlich neuer, postmoderner Erscheinungsformen der Bestattungs- und Trauerkultur, säkularen Bestattungsritualen und weltlichen Trauerreden, die einer Entindividualisierung und Rationalisierung des Vergessens entgegenwirken wollen, ergeben sich für Kohn folgende Fragen: Sind diese neuen Formen des Totengedenkens im Sinne einer Kritischen Theorie der Trauer zu sehen und was könnte jenes andere Moment der Trauer im gesamtgesellschaftlichen Kontext für eine menschlichere Gesellschaft bedeuten? Oder ist die anonyme Bestattungsform eher als Verweigerung der herkömmlichen Bestattungskultur zu begreifen? Doch wenn das Empfinden, nicht zur Last fallen zu wollen, gesellschaftlich bestimmend ist, findet sich dies auch in Form anonymer Beisetzungen wider, so Kohn.

Der Block I wurde abgeschlossen mit den beiden Referenten OLGA WECKENBROCK            und JAN-HENDRIK EVERS (Osnabrück) zum Thema „Der reformierte Diskurs über Tod, Trauer und Trost im Spiegel des historischen Buchbestandes von 1709 der Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden“. Von einem Zitat Sebastian Leuterts ausgehend („Jede Kultur kreiert sich ihren Tod, ihren Diskurs über ihn und über das Sterben“) erläuterten Weckenbrock und Evers, dass die vielfältigen Forschungen zur lutherischen und katholischen Sterbekultur dieses Zitat unterstrichen. Es wird implizit davon ausgegangen, dass die reformierte Kirche der Frühen Neuzeit eine eigene Sterbekultur besaß, allerdings noch ohne aussagekräftige Forschungen dazu. Hier will das Forschungsprojekt der beiden Referenten ansetzen und fragen, wie diese reformierte Sterbekultur beschaffen war und wie sie sich von Sterbekulturen anderer Konfessionen abgrenzen lässt. Die Quellenbasis bilden dabei Druckschriften, der räumliche Schwerpunkt soll auf der Stadt Emden und den historischen Buchbeständen der heutigen Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden (JaLB) liegen und einen Zeitraum von ca. 1560 bis 1709 umfassen. Die Emdener Bibliothek stellt dabei einen einzigartigen Wissensspeicher dar, der Druckzeugnisse nicht nur aus dem reformierten Umfeld, sondern auch die Schriften von Angehörigen anderer Konfessionen einschloss. Das Forschungsprojekt besteht aus zwei Teilprojekten, die den historischen Kernbestand der Bibliothek nach einschlägigen Publikationen zum Thema Tod, Trauer und Trost sichten und dadurch für den skizzierten Diskurs einer reformierten Sterbekultur nachvollziehbar machen sollen, so Evers. Während es im ersten Projekt um die bibliotheksgeschichtliche Erfassung der Bestände geht, fragt das zweite Projekt nach der Bedeutung der Predigten und Schriften in Emden wirkender reformierter Theologen – unter besonderer Berücksichtigung der eschatologischen Vorstellungen Johannes Calvins.

Der Block II

Der Historiker STAVROS VLACHOS (Bremen) referierte zum Thema „Ansichten des Todes. Der entseelte Leib in der deutschen Kunst um 1500.“ Während des 14. Jahrhunderts entwickelte sich in der bildenden Kunst der Spätgotik im Rahmen einer intensiven Passionsfrömmigkeit das Interesse für die Präsentation Jesu im entseelten Zustand. Vlachos erläuterte, dass Anfang des 16. Jahrhunderts in der deutschen Kunst ein neues Phänomen im Hinblick auf die Darbietung des toten Jesus entstand: Sein Leichnam wird auf eine völlig neue Art und teilweise extrem präsentiert. Diese neue Darstellungsform wurde repräsentiert und entwickelt von den wichtigsten Künstlern dieser Zeit wie Albrecht Dürer, Hans Baldung Grien, Matthias Grünewald und Albrecht Altdorfer. Vlachos belegte, wie diese Künstler zum einen die tradierten Präsentationen des Leichnams Jesu zum Äußersten führten, zum anderen ungewohnte Perspektiven wählten, um dramatisierte Inszenierungen des Todes Jesu zu schaffen. Vlachos deutete auf die Besonderheit hin, dass auch die Figuren der Trauernden äußerst gefühlsbetont und in teils dramatischen Trauergesten dargestellt wurden.

Die Kunsthistorikerin FRANZISKA EHRL (Bamberg) sprach in ihrem Vortrag über „Graphische Totentanzdarstellungen im Sog der Ersten Weltkriegs.“ In ihrem Dissertationsprojekt beschäftigt sich Ehrl der gesteigerten Rezeption, Adaption und Interpretation des aus dem Spätmittelalter stammenden Bildmotivs „Totentanz“ unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs anhand graphischer Zyklen, vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum. Das Forschungsprojekt bezieht sich auf den Zeitraum von 1900 bis 1930. Ehrl erörterte den deutlichen Anstieg der Totentanzpublikationen vor dem Ersten Weltkrieg, den Rückgang während der Kriegszeit und die Publikationsflut nach dem Krieg. Entsprechend der Chronologie sollen die kulturellen Faktoren herausgearbeitet werden, die die Totentanzproduktion als Instrument der Propaganda der Vorkriegszeit, der Kritik in der Kriegszeit und der Verarbeitung des Grauens in der Nachkriegszeit begünstigten. Bei den Totentanzdarstellungen selbst werden die Rahmenkonzepte, gestalterische Konzepte analysiert, verglichen und kategorisiert. Nach Ehrl soll in ihrer Arbeit geklärt werden, inwiefern zwischen den als Vorboten, Begleiterscheinungen und Folgen des Ersten Weltkriegs entstandenen Zyklen Unterschiede zu verzeichnen sind. Auch soll sich das Projekt den Schöpfern widmen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekannte und renommierte Graphikkünstler waren, heute jedoch kaum noch erinnert werden.

Den Block II schloss LISBETH BARTELS (Kiel) mit ihrem Vortrag „Der Umgang mit den Toten im Spiegel der zeitgenössischen Fotografie“ ab. Bis zum Aufkommen der Fotografie war die Wiedergabe des Verstorbenen über Zeichnung, Malerei und Plastik oft nur den Wohlhabenden vorbehalten, so Bartels. Mit der Entwicklung der Fotografie wurde dann die lebensechte Abbildung der Toten schnell populär [2]. So hatte sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Zahl von Fotografen auf die Leichenfotografie spezialisiert. Bartels erläuterte, dass seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Totenfotografien rückläufig waren, seit den 1970er Jahren jedoch wieder modern wurden.

Bartels legte dar, dass sich in der Postmortem-Fotografie besonders das Verhältnis vom Lebenden zum Toten und allgemein zum Tod thematisiert. An den fotografischen Arbeiten der amerikanischen Fotografinnen Elizabeth Heyert (Serie „Baptistengemeinde“, New York 2004) und Sally Mann („Body Farm“, University of Tennessee, 2002) zeigte Bartels exemplarisch die Darstellung zweier gegensätzlicher Umgangsformen mit Toten und unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen auf. Mit den Werkserien wird einer religiös geprägten und bildnisfreundlichen Sterbe- und Trauerkultur eine eher bildnisfeindliche, biologische Auffassung vom Tod gegenübergestellt. Bartels wies auf die Theorien von Roland Barthes und Susan Sontag zur Verknüpfung von Tod und Fotografie hin und stellte die Frage, ob es nicht gerade die dem Toten eigene Vergegenständlichung sei, die für die Lebenden problematisch sein könne.

Block III

Der Historiker und Archäologe DOMINIK SIEBER (Tübingen) sprach über „Friedhöfe des so genannten Camposanto-Typs. Eine spezifische Form konfessioneller Sepulkralarchitektur der Frühen Neuzeit?“. Sieber erläuterte den zentralen Themenbereich seines Dissertationsprojektes – die außerstädtischen Bestattungsplätze, die an der Wende zur Frühen Neuzeit extra muros angelegt wurden. Dabei werden in der Forschung gemeinhin die neu entwickelten architektonischen Formen unter dem Begriff „Camposanto“ subsumiert. Dieser Friedhofstyp bezeichnet idealtypisch nahezu quadratische und rechteckige ummauerte Begräbnisplätze, so Siebert. Die Friedhofsmauer ist nach innen offen, mit überdachten Arkaden oder Säulengängen versehen, die fallweise auch begehbar und mehrseitig angelegt sein können. Somit entsteht ein kreuzgangähnlich umschlossenes Begräbnisfeld, das der normalen Bevölkerung zur Verfügung stand, während die gesellschaftliche Elite an der Friedhofsmauer im Bereich der Arkaden ihre letzte Ruhe fand. Die Separierung dieser Anlagen von den Kirchenbauten stellt ein weiteres Charakteristikum dar. Sieber machte darauf aufmerksam, dass die Trennung von Grab und Kirche in der Forschung bislang dem protestantischen Milieu zugeordnet wird. Doch lässt sich auch bei katholischen Bestattungsplätzen das Camposanto-Konzept beobachten. Sieber legte dar, dass vielmehr von einer überkonfessionellen renaissencezeitlichen Sepulkralarchitektur ausgegangen werden muss.

Block III wurde von ÉVA KÓSA (Budapest) mit dem Thema „Private und dörfliche Grabsteine in Ungarn aus dem Ersten Weltkrieg“ abgeschlossen.

Im Rahmen der Kriegseuphorie und Kriegspropaganda wurden auch die gefallenen Soldaten zu Helden stilisiert. Kósa verwies darauf, dass sich mit den zahlreichen Verwundeten und Toten auch die Einstellung zum Tod, die  Trauerkultur und nicht zuletzt die Bestattungsumstände veränderten. Die Toten konnten in der Regel nicht zurück in die Heimat überführt, sondern mussten vor Ort bestattet werden. Somit gab es oft den Wunsch bei den Angehörigen, Gedenksteine auf vorhandene Familiengräber zu platzieren. Insbesondere im ländlichen, dörflichen Raum ist dies zu beobachten. Kósa wies darauf hin, dass hier – im Gegensatz zur Heldenverehrung bei offiziellen Kriegerdenkmälern – der privaten Trauer der Familien und Dorfgemeinden Ausdruck verliehen wurde.

In der Abschlussdiskussion betonte NORBERT FISCHER (Hamburg) die neuen Forschungsansätze und Sichtweisen der Transmortale IV. Das Beispiel „Camposanto“ habe gezeigt, dass es auch neuer Definitionen bedarf. REINER SÖRRIES (Kassel) stellte die Frage, ob die reformatorische Zäsur vielleicht doch nicht so stark war wie angenommen. Die Konfessionalität (protestantisch/katholisch) könne durchaus in Frage gestellt werden, so Sörries. Zudem scheinen sich die Grenzen zu verschieben, was sich am Thema „Trauer“ gut festmachen ließe. Das herausragende an der Transmortale sei ihre Interdisziplinarität und Diskussionsfreudigkeit. Festgefügte Forschungserkenntnisse müssten hinterfragt, neue Forschungsfelder erschlossen werden, so Fischer.

Die große Resonanz der Transmortale IV hat auch in diesem Jahr wieder gezeigt, wie wichtig ein Ort des interdisziplinären fachlichen Austausches zum Thema „Tod“ ist.

Die  Veränderung der Bestattungskultur enthält vielfältige Facetten, die es auch zukünftig aufmerksam zu beobachten und kritisch, wissenschaftlich, zu begleiten gilt.

Stephan Hadraschek M.A., Berlin

Mitglied des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. (AFD),

Referent für Öffentlichkeitsarbeit/ Fachberatung bei Otto Berg Bestattungen, Berlin.

Konferenzübersicht:

10.00 – 12.00 Begrüßung und Einführung

Block I

Inga Schaub: Pathologisierung des Trauern? Zur Debatte um die „Persistent Complex Bereavement Related Disorder“.

Christian Kohn: Die Trauer als Maßstab des Glücks – Zur Rolle der Trauer in der Kritischen Theorie.

Olga Weckenbrock, Jan-Hendrik Evers: Der reformierte Diskurs über Tod, Trauer und Trost im Spiegel des historischen Buchbestandes von 1709 der Johannes a Lasco Bibliothel Große Kirche Emden.

12.00 – 13.30 Mittagspause

13.30 – 15.30 Block II

 Stavros Vlachos: Ansichten des Todes. Der entseelte Leib in der deutschen Kunst um 1500.

Franziska Ehrl: Graphische Totentanzdarstellungen im Sog des Ersten Weltkriegs.

Lisbeth Bartels: Der Umgang mit den Toten im Spiegel der zeitgenössischen Fotografie

15.30 – 16.00 Kaffeepause

16.00 – 18.00 Block III

 Dominik Sieber: Friedhöfe des so genannten Camposanto-Typs. Eine spezifische Form konfessioneller Sepulkralarchitektur der Frühen Neuzeit?

Éva Kósa: Private und dörfliche Grabsteine in Ungarn aus dem Ersten Weltkrieg

Abschlussdiskussion

 Anmerkung:

[1] Reiner Sörries, Herzliches Beileid: Eine Kulturgeschichte der Trauer. Darmstadt 2012.

[2] Katharina Sykora, Die Tode der Fotografie 1: Totenfotografie und ihr sozialer Gebrauch. München 2009.

Posted in Uncategorized | Tagged , , , , , , , , , , | Leave a comment

Transmortale IV: 23. Februar 2013, 10–18 Uhr, Museum für Sepulkralkultur Kassel

Die Themen Sterben, Tod und Trauer rücken seit einigen Jahren immer
mehr in den Fokus der fächerübergreifenden Forschung. Disziplinen wie die
Archäologie, Ethnologie oder Kunstgeschichte beschäftigen sich seit jeher mit
Gräbern und Begräbnisplätzen. Inzwischen interessieren sich jedoch ganz
unterschiedliche Disziplinen für den Wandel der Trauer- und Bestattungskultur
wie z.B. die Soziologie, Psychologie, aber auch Geschichte, Volkskunde/
Kulturanthropologie, Geschlechterforschung und Medienwissenschaften.
Unter dem Titel transmortale hat erstmalig am 6. Februar 2010 ein
Workshop an der Universität Hamburg stattgefunden, um die vielseitigen
und vielschichtigen Forschungsansätze zum Thema Sterben, Tod und Trauer
zu verknüpfen. Der Workshop war offen für junge Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler aus der Nachwuchsforschung wie z. B. Studierende in der
Abschlussphase oder Doktoranden, aber auch für Postdocs und interessierte
Forschende.
Die transmortale II und III haben in einem erweiterten Rahmen als Tagung
und Workshop im Museum für Sepulkralkultur in Kassel stattgefunden.
Ziel der transmortale IV am 23. Februar 2013 ist es wie in den Vorjahren
auch, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit zu bieten,
neue Forschungsperspektiven in Kurzreferaten vorzustellen und diese in einer
größeren Runde zu diskutieren.
Die transmortale findet jährlich statt und soll eine Plattform für das
Forschungsfeld Sterben, Tod und Trauer bieten.

Programm Samstag 23.Februar 2013

10.00 Begrüßung und Einführung

10.30 Block I
Inga Schaub (Berlin): Pathologisierung des Trauerns? Zur Debatte um die „Persistent Complex Bereavement Related Disorder“

Christian Kohn (Leipzig): Die Trauer als Maßstab des Glücks – Zur Rolle der Trauer in der Kritischen Theorie

Olga Weckenbrock, Jan-Hendrik Evers (Osnabrück): Der reformierte Diskurs über Tod, Trauer und Trost im Spiegel des historischen Buchbestandes von 1709 der Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden

12.00 – 13.30 Mittagspause

13.30 – 15.30 Block II

Stavros Vlachos (Bremen): Ansichten des Todes. Der entseelte Leib in der deutschen Kunst um 1500

Franziska Ehrl (Bamberg): Graphische Totentanzdarstellungen im Sog des Ersten Weltkriegs

Lisbeth Bartels (Kiel): Der Umgang mit den Toten im Spiegel der zeitgenössischen Fotografie

15.30 – 16.00 Kaffeepause

16.00 – 18.00 Block III

Dominik Sieber (Tübingen): Friedhöfe des so genannten Camposanto-Typs. Eine spezifische Form konfessioneller Sepulkralarchitektur der Frühen Neuzeit?

Éva Kósa (Budapest): Private und dörfliche Grabsteine in Ungarn aus dem Ersten Weltkrieg
Abschlussdiskussion

Veranstalter
Universität Hamburg
Historisches Seminar und Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie
Prof. Dr. Norbert Fischer, Anna-Maria Goetz MA,

Susanne Möllers MA, Moritz Buchner MA, Stephan Hadraschek MA (Berlin)

Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD),
Stiftung Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur, Kassel
Prof. Dr. Reiner Sörries, Dipl.-Ing. Dagmar Kuhle

Anmeldeschluss: 20. Februar 2012

Teilnahme-Beitrag inkl. Mittagsimbiss:
40,- € / 15,- € erm. (Studenten)
Anmeldung
Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal,
Stiftung Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur
Weinbergstraße 25–27
34117 Kassel
e-mail: info@sepulkralmuseum.de
www.sepulkralmuseum.de
Ines Niedermeyer
fon: 0561 91893-40
e-mail: sekretariat@sepulkralmuseum.de

Posted in Uncategorized | Leave a comment

transmortale III am 10. & 11. März 2012 im Museum für Sepulkralkultur, Kassel

Programm 10. März 2012

10.00 – 11.30
Begrüßung und Einführung
Block I

Johanna Zorn: Wie wir ‚sterben lernen’
– Christoph Schlingensiefs
Diskursivierung der Todesangst

Friederike Thielmann: Autopsie. Zum Verhältnis von Leiche und
Selbstschau im anatomischen Theater

11.30 – 12.00
Kaffeepause

12.00 – 13.30
Block II

Moritz Buchner: Die Trauerkultur des italienischen Bürgertums (1861-1915)

Heléna Tóth: Leben und Tod im Staatssozialismus. Rituale der Geburt
und des Todes in Ungarn und der DDR

Alina Bothe: „beser faln vi freye kemfers“ – Es ging nur darum, die
Art des Sterbens zu wählen. Sterben und
Tod im Jüdischen Widerstand
gegen die Vernichtung

13.30 – 15.00
Mittagspause

15.00 – 17.00
Block III

Melanie Augstein: Gräber als Orte der Kommunikation – eine
archäologische Perspektive

Sophia Siebert: Leben am Verbrennungsplatz: Die Verbrennungsmeister in
Shivas heiliger Stadt

Kirsten Brukamp: Das Übermitteln der Todesnachricht – eine
Herausforderung für die medizinische Kommunikation im Krankenhaus

Abschlussdiskussion

Posted in Uncategorized | Leave a comment

Tagungsbericht Transmortale II mit Fotos

Posted in Uncategorized | Tagged , , , , , , , , | Leave a comment

Tagungsbericht Transmortale II

Tagungsbericht Transmortale II
Veranstalter: Universität Hamburg (Prof. Dr. Norbert Fischer, Anna-Maria Goetz MA, Historisches Seminar / Institut für Volkskunde, Susanne Möllers MA, Adrian Anton MA) und Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD), Stiftung Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur, Kassel (Prof. Dr. Rainer Sörries, Andreas Ströbl, Dagmar Kuhle)
Datum/Ort: 18./19. März 2011, Museum für Sepulkralkultur, Kassel
Bericht von: Karen Wolff MA, Hamburg, karenwolff@gmx.net
————————————————————————————————————————
Vom 18.-19. März 2011 fand nach der transmortale I im Februar 2010 an der Universität Hamburg die transmortale II im Museum für Sepulkralkultur in Kassel statt. Die transmortale soll im jährlichen Wechsel jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, ihre Forschungsprojekte zum Thema Sterben und Tod vorzustellen und diese in einem interdisziplinären Rahmen zu diskutieren. Die von der Universität Hamburg, Historisches Seminar und dem Institut für Volkskunde sowie der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD), Stiftung Zentralinstitut und dem Museum für Sepulkralkultur (Kassel) organisierte Veranstaltung ging der Frage nach, welche Verbindungen und Abhängigkeiten von Sterben und Tod sich in verschiedenen historischen, räumlichen, sozialen und medialen Kontexten aufzeigen lassen. Mit den Themen der Veranstaltung aus den Bereichen des Bestattungswesens und der Bestattungskultur, den historischen und gesellschaftlichen Prozessen und Dynamiken sowie der Medialisierung von Sterben und Tod wurde ein breites thematisches und methodisches Spektrum interdisziplinär diskutiert. Die als Workshop konzipierte Veranstaltung bot mit insgesamt zwölf Vorträgen der Disziplinen Archäologie, Denkmalspflege, Geschichtswissenschaften, Kunstgeschichte, Medienwissenschaften, Soziologie, Theologie und Volkskunde/Kulturanthropologie einen eindrucksvollen Überblick über die Vielfalt an Forschungsvorhaben.

Der Vortrag „Necrologium Vitae – Digitale Räume zur Reintegration des Be-Greifbaren Todes“ von EVA BURNELEIT (Potsdam) eröffnete die transmortale II. Die fortschreitende Digitalisierung und Erweiterung der individuellen Lebensrealität im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken wie facebook mit weltweit über 665 Millionen Nutzern, beeinflusst in letzter Konsequenz auch den individuellen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Besonders der Umgang mit dem digitalen Nachlass von Verstorbenen in sozialen Netzwerken wird zunehmend zur Alltagspraxis von Angehörigen. Diese Verbindung von medialer und individueller Realität und der Interaktion von Mensch und Maschine gewinnt zunehmend an gesellschaftlicher und sozialer Bedeutung und führt zu einem veränderten Umgang mit Sterben und Tod in der Alltagswirklichkeit. Hierbei stellt sich für Interfacedesigner die Herausforderung, so Burneleit, wie das digitale Erbe technisch konzipiert und verwaltet sowie gestalterisch sinnstiftend fortgeführt werden kann. Das Forschungsvorhaben von Eva Burneleit legt den Fokus auf eben diesen Gestaltungs- und Möglichkeitsraum von Interface- und Webdesignern. Hierbei eröffnet sich die Frage, inwiefern Designer eine Rolle spielen, wenn es darum geht, Sterben und Tod einen angemessenen Platz innerhalb und außerhalb der medialen Realität einzuräumen. Burneleit stellte abschließend zwei unveröffentlichte Konzepte aus dem Bereich Interfacedesign vor, die die digitalen und realen Ansprüche von Verstorbenen und Hinterbliebenen miteinander verbinden können.

Der folgende Beitrag von ANNA-LIVIA PFEIFFER (Darmstadt) „Asche und Utopie – monumentale Urnenanlagen des 18. und 20. Jahrhunderts“ skizzierte unrealisierte architektonische Entwürfe von Krematorien aus dem 18. und 20. Jahrhundert. Die von Pfeiffer vorgestellten Entwürfe der Architekten Pierre Giraud, Adolf Marsch, Albrecht Haupt und Paul Wolf verbinden in besonderer Weise gesellschaftliche, technische und religiöse Utopien. Die enge Verbindung zwischen Vision und politischem sowie gesellschaftlichem Umbruch ist kennzeichnend für diese utopischen architektonischen Entwürfe des 18. und 20. Jahrhunderts. In ihnen können sich zudem die Diskussionen über die gesellschaftliche Akzeptanz der Feuerbestattung, der Notwendigkeit der wachsenden Städte und Gesellschaften in Europa, Bestattungsraum zu schaffen sowie der Re-Integration der Toten in die Zentren der Städte nachzeichnen lassen. Ein eindrucksvolles Beispiel dieser architektonischen Entwürfe stellt das des Architekten Pierre Giraud (1796) dar. Giraud entwarf für die Stadt Paris eine zentrale Bestattungsanlage mit einer Pyramide als Mittelpunkt eines runden Landschaftsparks. Im Innern der Pyramide sollten unter Anwendung des chemischen Verfahrens der Vitrifikation die Gebeine in eine glasähnliche Masse transformiert werden. Die Pyramide fungiert dabei als Zeichen der Erinnerung. Der Architekt Adolf Marsch (1909/1910) entwarf eine Anlage, die Krematorium und Kolumbarium verbinden sollte. Albrecht Haupt (1911) formulierte weitergehend die programmatische Forderung einer Nekropolis für Millionen. In den 1920er Jahren der Weimarer Republik schlug der Friedhofsreformer und Dresdner Stadtbaurat Paul Wolf kollektive Beisetzungen in einem monumentalen Aschengrab vor.

Der abschließende Beitrag des ersten Veranstaltungstages, die Film-Dokumentation „Im Sommer näher am Himmel – Der Wald als letzte Ruhestätte“ von MIRKO UHLIG (Bonn) und DAGMAR HÄNEL (Bonn) präsentierte die aktuellen individuellen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse im Umgang mit Tod und Trauer anhand der alternativen Bestattungsform der Waldbestattung am Beispiel des FriedWalds in Bad Münstereifel, Nordrhein-Westfalen. Im Gegensatz zu Waldfriedhöfen ist der FriedWald ein natürlich gewachsener und forstwirtschaftlicher Wald, Begräbnisplätze werden hier nicht durch Grabsteine gekennzeichnet. Uhlig und Hänel begleiteten Förster, Trauerbegleiter und Pfarrer, die innerhalb ihrer beruflichen Praxis in diesem Feld agieren und dokumentierten die Fragen, die sich diesen Akteuren im Rahmen ihres beruflichen Alltags stellen sowie deren professionelle Strategien der Integration der neuen Bestattungspraxis. Weiter präsentierten Uhlig und Hänel die Angehörigen, für die die Wahl der Beisetzung und des Begräbniswunsches des Verstorbenen eine neue Form von Bestattungsriten und des Trauerortes darstellt. Der Film zeigte auf eindrucksvolle Art und Weise, wie die Akteure in diesem Handlungsfeld religiöse und seelsorgerische Handlungsmuster, Symbole und Rituale übernehmen und in einem veränderten Kontext anwenden. Die folgende Diskussion veranschaulichte die Auseinandersetzung mit der zunehmenden Ökonomisierung der alternativen Bestattungsbewegung.

Während des ersten Vortrags des folgenden Tages „Die verweigerte Todespersonifikation in den Filmen der Final-Destination-Reihe“ präsentierte JOHANNES WENDE (München) einen Teilaspekt seines Dissertationsvorhabens „Tod im Spielfilm“. Die Handlungsmuster der insgesamt fünf Filme der Final-Destination-Reihe (2000-2010), die dem Genre der teenage death movies zugerechnet werden können, sind identisch: Der Protagonist entgeht aufgrund einer Vorhersehung einem Unglück und kann so sich und seine Freunde retten. Als einige der Überlebenden sterben, ahnt der Protagonist, dass der Tod selbst hinter den, teilweise skurrilen, Todesfällen steckt. Sterben ist in diesen Filmen numerisch vorbestimmt, der Protagonist hat durch seine Vision diese Reihenfolge durchbrochen, die nun wieder hergestellt werden soll. Johannes Wende resümierte, dass das Thema Tod im Spielfilm als Projektionsfläche intendierter Vorstellungen von Sterben und Tod verstanden werden kann. Der zeitgenössische Film reagiert ebenso auf Phasen des gesellschaftlichen Wandels und ermöglicht neue Formen der Darstellung. Das Besondere an der Final-Destination-Reihe ist, dass der Tod keine Gestalt annimmt, sondern als unsichtbarer Akteur, der unter Zuhilfenahme instrumentalisierter Alltagsgegenstände handelt, dargestellt wird. Der Tod ist eine unsichtbare handelnde Macht, die jedoch durch Logik und Intelligenz der Protagonisten verhindert werden kann. So hebt sich diese Filmreihe deutlich von Spielfilmen ab, in denen der Tod personifiziert wird, wie dies beispielsweise in den Filmen „Der müde Tod“ (1921), „Das siebte Siegel“ (1957) oder „Rendezvous mit Joe Black“ (1998) der Fall ist.

ANTJE MICKAN (Braunschweig) stellte in ihrem Beitrag „Bestattungswünsche alter Menschen – Ich will unter den grünen Rasen“ die Bedeutung der individuellen Biographie auf die Bestattungswünsche von Individuen vor. Deren Lebensgeschichte, der individuelle Lebenssinn und die Lebenshoffnung eines Menschen finden nach Mickan ihren materiellen Ausdruck in den persönlichen Bestattungswünschen. Postmoderne Wandlungsprozesse der Bestattungskultur bedingen die Fragen danach, welche Kriterien eine christlich-evangelische Bestattung auszeichnen und wie das handlungsbestimmende Potential der christlichen Seelsorge aktiv gestaltet und gedeutet werden kann. Die evangelische Kirche steht den erweiterten und individualisierten Gestaltungsmöglichkeiten von Bestattungen zunehmend positiv gegenüber, reflektierte Antje Mickan in ihrem Beitrag. Fragen, die diesen Prozess begleiten, beziehen sich auf die Bedeutung einer neuen individualisierten Sepulkralästhetik und ob diese noch Ausdruck des Evangeliums als christliche Bestattungsform sein könne. Die Offenheit der Form von Bestattungen bedingt jedoch eine Verantwortung gegenüber den bei Bestattungen verwendeten Zeichen. So soll eine liturgische Freiheit bei Bestattungen gegeben sein, jedoch ist es gleichermaßen unerlässlich, Zeichen und Symbole nicht beliebig zu verwenden. Weitergehend untersucht Mickan anhand einer qualitativen Analyse in ihrem Dissertationsvorhaben, ob bereits die individuelle Konstruktion und Äußerung eines Bestattungswunsches seelsorgerisches Potential beinhaltet.

Im Anschluss an diesen Vortrag präsentierte DIRK PREUSS (Jena) das Forschungsvorhaben „Pietät“. Dieses Projekt untersucht den pietätvollen Umgang mit dem toten Körper unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Disziplinen Kulturanthropologie, Ethik und Recht. Untersucht werden sollen in diesem Forschungsprojekt zunächst Fragen, die die allgemeinen Vorstellungen von Pietät betreffen wie beispielsweise: Welche Orte werden als legitim und pietätvoll verstanden? Entspricht ein Krematorium in industriell genutzten Stadtteilen der allgemeinen Vorstellung des pietätvollen Umgangs mit dem toten Körper? Preuss versteht den Begriff „Pietät“ dabei als ein zentrales sittliches Prinzip, und verweist darauf, dass dieses bislang kaum ethisch reflektiert worden sei. Untersucht werden sollen in diesem Forschungsvorhaben die determinierenden normativen Konzepte, die historisch gewachsen sowie rechtlich, sittlich und kulturell verortet sind. Diese Konzepte verweisen wiederum auf weitere Facetten und Begrifflichkeiten, die mit einem pietätvollen Umgang mit dem toten Körper verbunden sind. Dies sind beispielsweise der letzte Wille, postmortale Persönlichkeitsrechte, Trauer der Angehörigen und die Ruhe der Toten. Übergreifendes Ziel des Forschungsprojektes ist somit die Analyse der historischen Semiotik des Begriffes „Pietät“, der normativen Konzepte sowie die gesellschaftliche Konstruktion von Pietät. In der nachfolgenden Diskussion wurde insbesondere auf mediale und individuelle Visualisierungsstrategien von Pietät eingegangen. Thematisiert wurde hier, wie Pietät gesellschaftlich und medial produziert und in der Lebensrealität reproduziert wird.

Der pietätvolle Umgang mit toten Körpern und menschlichen Überresten war unter anderem Thema des Vortrags der Archäologen REGINA STRÖBL (Schwerin) und ANDREAS STRÖBL (Kassel). Im Rahmen ihres Vortrages „Projekt Gruftarchäologie – neuzeitliche Bestattungen des 16. – 19. Jahrhunderts“ präsentierten sie ihre Restaurierungs-Projekte von Gruftanalagen. Andreas Ströbl stellte seine umfangreichen Arbeiten u.a. in den Gruftanlagen in Göttingen (Paulinerkirche), Berlin (Parochiakirche), Hamburg (St. Michaelis) und Lüneburg (Barbarakapelle Kloster Lüne) vor. Regina Ströbl, Archäologin mit dem Spezialgebiet Textilforschung, leitet unter anderem das Projekt „Die drei großen Herzogsgrüfte in Mecklenburg-Vorpommern“ in den Städten Mirow, Schwerin und Wolgast. Dabei wurde das Teilprojekt „Die Sarkophage der Herzöge von Pommern-Wolgast“ mit dem höchsten Preis der Europäischen Denkmalpflege, dem Europa-Nostra-Preis (2010), ausgezeichnet. In vielen der von Andreas und Regina Ströbl sanierten und analysierten Grüfte haben sich neben den mumifizierten Leichnamen auch Kleidung und Grabbeigaben erhalten. Neben dem Ziel, die Erkenntnisse, die aus den untersuchten Grüften gewonnen wurden, zu typologisieren, stehen ebenso ethische und pietätische Fragen, die den Umgang mit den toten Körpern betreffen, im Interesse. Anhand von praktischen Beispielen aus ihren Restaurierungsprojekten referierten Andreas und Regina Ströbl über den sensiblen Umgang mit toten Körpern und menschlichen Überresten. Weiter berichteten sie von ihrem Kampf gegen Sachzwänge und Sparmaßnahmen sowie von dem als unaufhaltsam erscheinenden Verschwinden von historischen Gruftanlagen.

PHILLIP DOTSCHEV (Münster) skizzierte in seinem Beitrag „Zur Bestattungspraxis auf simultan genutzten Dorfkirchhöfen. Beispiele aus dem Osnabrücker Land (1648 – 1815)“ zwei Fallbeispiele seines Dissertationsvorhabens „Profan und heilig: Der simultan genutzte Dorfkirchhof im Osnabrücker Land als Ort und Raum symbolischer Kommunikation (1648-1815)”. Mittels der bei Bestattungen eingesetzten Zeichen und Rituale soll die Geltungskraft von Konfessionen analysiert und gedeutet werden. Dabei referiert Dotschev anhand von zwei Fallbeispielen aus den Gemeinden Neuenkirchen bei Vörden und Goldenstedt über Probleme der Bestattungspraxis, konkurrierende Interessen und Nutzungsansprüchen auf simultan genutzten Kirchhöfen. So wurde in der Gemeinde Neuenkirchen beispielsweise ein Totengräber angestellt, der für Bestattungen beider Konfessionen zuständig sein sollte; in der Gemeinde Goldenstedt wurden auf einem simultan genutzten Friedhof fälschlicherweise lutherische Leichen mit Weihwasser gesegnet. Dotschev kommt zum Ergebnis, dass das Fallbeispiel der Gemeinde Goldenstedt unter anderem auf den Beginn moderner Staatlichkeit verweist und stellt fest, dass die Kirchenherrschaft insbesondere im ländlichen Raum eine Schlüsselfunktion bei der Konstituierung des Raumes innehat. Die Gemeinde Neuenkirchen verweist weiterführend mit der Anstellung eines professionellen Totengräbers auf eine Hinwendung zu einem modernen, marktwirtschaftlich orientierten Paradigma.

Im Anschluss an diesen Vortrag präsentierte ANJA KRETSCHMER (Greifswald) ihren Beitrag über „Private Grabarchitektur auf städtischen Friedhöfen. Von der Verbürgerlichung des Mausoleums am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns (19. Jh.)“. Anja Kretschmer untersuchte unter anderem in den Städten Dessau, Greifswald, Parchim, Rostock, Schwerin und Wismar private Mausoleen und Grabkapelle und verweist darauf, dass bislang noch keine klare Abgrenzung dieser beiden Baustile stattgefunden hat. Private Grabbauten waren bis zum 19. Jahrhundert nur dem Adel vorbehalten und räumlich auf private Parkanlagen beschränkt. Der wirtschaftliche Aufschwung des beginnenden 19. Jahrhunderts ermöglichte es einem erstarkten Bürgertum, Begräbnisstätten wie Mausoleen, Grabkapellen und Gruftanlagen zu errichten, die über den Ruhm und die Prestige der Verstorbenen berichten. Weiter referierte Kretschmer über einen Wandel der Architekturformen im Laufe des 19. Jahrhunderts von klassizistischen Formen hin zu neogotischen Grabgebäuden, der sich auf den von ihr untersuchten Friedhöfen nachweisen lässt. Anja Kretschmer verwies zudem auf den zunehmenden Verfall dieser Mausoleen und Grabkapellen hin und verdeutlichte, dass es sich bei diesen Grabmälern um einen eigenständigen Architekturtypus handelt, der erhalten und bewahrt werden soll.

STEPHAN HADRASCHEK (Berlin) referierte über die „Geschichte des Bestattungswesens in Berlin“ in den Jahren 1881 bis 1939 unter Berücksichtigung der Fragen, wie die Akteure dieser  Zeit mit den zunehmenden Bestattungszahlen in Metropolen wie Berlin umgegangen sind und welche Lösungs- und Handlungsstrategien entworfen sowie umgesetzt wurden. Weitergehend stellte Hadraschek vor, wie in Berlin die Idee eines Zentralfriedhofs entstanden ist und wie sich dieses Konzept in den 1930er Jahren und danach entwickelte. Dabei verweist er darauf, dass das Berliner Bestattungswesen heute nicht wie in vielen Metropolen wie Paris, New York, Hamburg oder London aus einzelnen Großfriedhöfen besteht, sondern über 200 geöffnete oder geschlossene Kirch- und Friedhöfe aufweist. Im Jahr 1881 wurde in Berlin aufgrund steigender Sterbezahlen und einer damit einhergehenden Überbelegung von Friedhöfen sowie infolge Diskussionen über Hygiene, der Zentralfriedhof in Friedrichsfelde eröffnet. Mit der Auslagerung von Friedhöfen geht eine Zentralisierung der Organisation und der Bewirtschaftung der Friedhöfe einher, resümierte Hadraschek. Pläne, kleinere und innerstädtische Friedhöfe in den 1920er Jahren zu schließen, konnten aufgrund der Unabhängigkeit der einzelnen Stadtbezirke nicht verwirklicht werden. Die Pläne Albert Speers, die eine Bebauung der Friedhöfe durch Bahnhöfe vorsahen als auch die Idee, insgesamt vier Zentralfriedhöfe am Rande Berlins zu errichten, sind infolge politischer Ereignisse nicht verwirklicht worden, so dass Berlin eben jene charakteristische Vielfalt an innerstädtischen Friedhöfen aufweist.

Die Kulturwissenschaftlerin ANTJE KAHL (Berlin) referierte in ihrem Beitrag „Das Unternehmen Bestattung – Der Tod als Vermarktungsobjekt“ über aktuelle Veränderungen in der Bestattungskultur und darüber, wie Bestatter diesen Wandel wahrnehmen, wie sie darauf reagieren und inwiefern sie als Akteure in diesem Feld in der Lage sind, selbst gesellschaftlichen Wandel in den Bereichen Sterben und Tod zu bewirken. Infolge gesellschaftlicher Prozesse erhalten Bestattungen einen Entscheidungsspielraum auf individueller Ebene, der mit einer zunehmenden Rationalisierung und Ökonomisierung einhergeht. Steigende Friedhofskosten, der Wegfall des Sterbegeldes und damit einhergehende Sparzwänge werden meist als Niedergang der Bestattungskultur diskutiert. Kahl resümierte, dass einerseits bei Bestattern Ratlosigkeit gegenüber den aktuellen Veränderungen herrsche, andererseits seien Bestatter in der Lage, darauf gezielt zu reagieren und ihren Arbeitsbereich zunehmend zu enttabuisieren. Mittels Werbung, Veranstaltungen in den eigenen Räumlichkeiten und einer Ausweitung der Angebotspalette versuchen Bestattungsunternehmen eine kommerzielle Öffnung und eine zunehmende Dienstleistungsmentalität des Bestattungswesens zu erreichen. Anhand einiger Beispiele illustrierte Antje Kahl die Bemühungen von Bestattungsunternehmen, auf den kulturellen und gesellschaftlichen Wandel zu reagieren und diesen zu gestalten.

Abschließend präsentiert FRANK THIEME (Bochum) in seinem Vortrag ” Die feinen Unterschiede – soziale Ungleichheit über den Tod hinaus. Neue Vielfalt der Bestattungskultur in der individualisierten Gesellschaft” erste Ergebnisse seiner Studie (N=88) zur sozialen Ungleichheit, die sich auch in den Trauer- und Bestattungsformen fortsetze. Die sich verändernde Trauer- und Bestattungskultur versteht Thieme als Ausdruck sozialen Wandels. Die zunehmende Individualisierung als auch säkulare Individualisierungsprozesse und die Erweiterung der Möglichkeitsräume von Trauer und Bestattung bewirken dabei ein Loslösen von formalen Regeln und Bedingungen standardisierten Trauerverhaltens. Gleichzeitig nehmen jedoch materielle Zwänge und somit Sparmaßnahmen zu, die sich wiederum anhand individueller Bestattungs- und Erinnerungsformen nachzeichnen lassen. Frank Thieme untersucht diese soziale Ungleichheit von Trauer- und Bestattungsformen mittels einer quantitativen Analyse. Die verwendeten Daten der Verstorbenen wurden durch standardisierte Fragebögen, die Bestatter ausgefüllt haben, erhoben. Diese Daten wurden zunächst hinsichtlich demographischer Merkmale wie Alter, Geschlecht, Konfession, Beruf, Bildung und Wohnviertel ausgewertet und mit den jeweils individuellen Trauer- und Bestattungsformen korreliert. Weitere Auswertungen beziehen sich u.a. auf die Verteilung der Bestattungen nach Grabarten, anonyme Bestattungen, Altersgruppen und Sozialbestattungen, religiöses Begräbnis und auf die angefallenen Begräbniskosten.

Insgesamt wiesen die einzelnen Beiträge der transmortale II einen starken Bezug zur Gegenwart auf, zudem herrschte bei den Teilnehmern und Referenten der Tagung Einigkeit in der Beurteilung des gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandels. Dieser Wandel spiegelt sich schließlich im veränderten individuellen, ökonomischen und institutionalisierten Umgang mit Sterben und Tod wider. Die Komplexität von Sterben, Tod und Trauer kann konsequenterweise nur in Verbindung der beiden Themenbereiche der Verstorbenen und Hinterbliebenen sowie der Öffentlichkeit forschungs- und ergebnisorientiert analysiert werden. Gerade hierbei ist die wissenschaftlich interdisziplinäre Konzeption der transmortale von zunehmender Bedeutung.
————————————————————————————————————————
Tagungsprogramm:
Freitag, 18. März 2011
Eva Burneleit: Necrologium Vitae – Digitale Räume zur Reintegration des Be-Greifbaren Todes
Anna-Livia Pfeiffer: Asche und Utopie – monumentale Urnenanlagen des 18. und 20. Jahrhunderts
Mirko Uhlig/Dagmar Hänel: „Im Sommer näher am Himmel“ – Der Wald als letzte Ruhestätte.

Sonnabend, 19. März 2011
Johannes Wende: Die verweigerte Todespersonifikation in den Filmen der Final-Destination-Reihe
Antje Mickan: Bestattungswünsche alter Menschen
Regina Ströbl/Andreas Ströbl: Projekt Gruftarchäologie – Neuzeitliche Bestattungen des 16. – 19. Jahrhunderts
Philipp Dotschev: Zur Bestattungspraxis auf simultan genutzten Dorfkirchhöfen. Beispiele aus dem Osnabrücker Land (1648 – 1815)
Anja Kretschmer: Private Grabarchitektur auf städtischen Friedhöfen. Von der  Verbürgerlichung des Mausoleums am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns (19. Jh.)
Stephan Hadraschek: Geschichte des Bestattungswesens in Berlin
Antje Kahl: Das Unternehmen Bestattung – Der Tod als Vermarktungsobjekt
Frank Thieme: Die feinen Unterschiede – soziale Ungleichheit über den Tod hinaus Neue Vielfalt der Bestattungskultur in der individualisierten Gesellschaft

Posted in Uncategorized | Tagged , , , , , , , , | Leave a comment

aktuelles Programm Transmortale II im Museum für Sepulkralkultur, Kassel

Posted in Uncategorized | Tagged , , , , , , , , | Leave a comment

Transmortale II im Museum für Sepulkralkultur in Kassel

Posted in Uncategorized | Tagged , , , , , , | Leave a comment

Transmortale 2010 – Einblicke

Posted in Uncategorized | Tagged , , , , | Leave a comment

Transmortale 2010 – Einblicke

Transmortale_2010Transmortale_anna_gtz_adrian_a
Posted in Uncategorized | Tagged , , , , , , , , , , | Leave a comment

Tagungsbericht „Transmortale – Interdisziplinärer Workshop: Neue Forschungen zum Thema Tod“

Hamburg, 6. Februar 2010

Alle Epochen und Kulturen zeigen, dass der Tod nicht nur die Toten betrifft, sondern vor allem die Lebenden. Für die Wissenschaft bedeutet das, dass alle Fächer und Forschungsfelder, die sich mit den Menschen und dem Leben beschäftigen, auch Berührungspunkte mit dem Tod, dem Abschied oder der Endlichkeit haben.
Die Themen Sterben, Tod und Trauer rücken seit einigen Jahren immer mehr in den Fokus der fächerübergreifenden Forschung. Unter dem Titel “Transmortale“ fand am 6. Februar 2010 ein von 45 Teilnehmern besuchter Workshop am Historischen Seminar der Universität Hamburg statt, um aktuelle Forschungsansätze zum Thema Sterben, Tod und Trauer zu verknüpfen.

Die Kulturwissenschaftlerin und Soziologin Karen Wolff berichtete über „Die Visualisierung des Todes. Über fotografische Inszenierungen von Sterben und Tod im Nachrichtenmagazin ‘Der Spiegel’“. Sie hat im Rahmen ihrer Forschungen einen Bildbestand von ca. 2000 Fotografien, die zwischen 1990 und 2008 im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ veröffentlicht worden sind, kategorisiert und einer qualitativen Einzelbildanalyse unterzogen hat. Anhand ausgewählter Beispiele stellte sie acht thematische Bildkategorien vor: der tote Körper, Bergung und letzte Dienste, der Tod als finale Macht, Sterben und Tod betrachten, Trauer und Verzweiflung, Die letzte Reise: Aufbahrung und Begräbnis, Sterben und Tod in Medizin und Wissenschaft, Die Darstellung der Vergänglichkeit. Karen Wolffs Erkenntnisinteresse richtete sich hierbei vor allem auf Fragen der fotografischen Inszenierung von Sterben und Tod und welche Rückschlüsse die Ergebnisse der Analyse auf Vorstellungen von Sterben und Tod erlauben.

Die Sozial- und Kunsthistorikerin Anna Götz stellte unter dem Titel „Projektionen des Diesseits – Bürgerliche Grabmalkultur um 1900“ ihre Forschungen zu Grabplastiken des späten 19. Jahrhunderts in Europa vor. Mit einem Fokus auf weibliche Figuren – die “Trauernden“ – untersucht sie die Wechselwirkungen zwischen Trauerkultur, bürgerlichem Habitus und Geschlechterverhältnissen um 1900. Goetz arbeitete die notwendige interdisziplinäre Verbindung von Kultur-, Kunst-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte zur Analyse der Objekte ihres Gegenstandsfeldes heraus. Im Zuge serieller Produktion und überregionaler Vermarktung avancierte das Bild der “Trauernden“ im späten 19. Jahrhundert zu einem Schlagbild der bürgerlichen Erinnerungskultur. Als im Lauf des 19. Jahrhunderts großflächige Friedhöfe unter städtischer Verwaltung eingerichtet wurden, bot sich wohlhabenden Bürgern ausreichend Platz, um ihre Familiengräber wie kleine private Denkmäler zu inszenieren. Vor dieser Kulisse markierte das sublime Motiv der “Trauernden“ weniger die Schrecken des Todes als vielmehr den individuellen Verlust und das biografische Vermächtnis des Familienoberhaupts. Entsprechend des bürgerlichen Arbeitsethos und normativer Geschlechterideale fungierten die weiblichen Grabplastiken als Projektionsfläche für Ängste, Sehnsüchte und Jenseitsvorstellungen der Hinterbliebenen.

Die Landschaftsplanerin Dagmar Kuhle referierte zum Thema „Der Plan des Friedhofs und des Beisetzungswaldes – Orte der Toten in Trägerschaft der katholischen und evangelischen Kirche“. Ihre Forschungen beziehen sich exemplarisch auf das Gebiet der Evangelischen Kirche Kurhessen Waldeck sowie der Diözese Fulda, von welchem eine Bestandsaufnahme heutiger Erscheinungsbilder dörflicher Friedhöfe in katholischer und evangelischer Trägerschaft erstellt werden soll. Weiterhin soll der erste Beisetzungswald in Trägerschaft der evangelischen Kirche in Schwanberg in die Untersuchung miteinbezogen werden, da hier die Integration des Konzepts “Natur“ in die Friedhofsplanung und -gestaltung analysiert werden kann. Dagmar Kuhle will Friedhöfe zum einen auf konfessionsspezifische Unterschiede hin untersuchen, aber auch auf mögliche Überformungen auf bestehenden kirchlichen Friedhöfen, ob z.B. Rasen- oder Baumgräber vorhanden oder geplant sind. Hierbei geht sie von der Beobachtung aus, das aufwandsreduzierende Bestattungsformen zunehmen. Zentral sind für Dagmar Kuhle die Wechselwirkungen zwischen sozialer Praxis und Raum bzw. Raumplanung und -gestaltung.

Die Archäologin und Anthropologin Dana Vick stellte ihre gemeinsamen Forschungen mit dem Archäologen Andreas Ströbl zum Thema Gruftenforschung vor: „Längst bekannt oder voller Überraschungen? Gruftbestattungen der Neuzeit in der interdisziplinären Forschung“
Auf der Grundlage ihrer bisherigen Erforschung zahlreicher Gruftanlagen im deutschsprachigen Raum (z.B. in Berlin, Boitzenburg, Braunschweig, Brandenburg, Göttingen, Görlitz, Hamburg, Hannover-Wettbergen, Lüneburg, Quedlinburg, Rheinsberg, Wien) wurde versucht, eine vorläufige Gliederung neuzeitlicher Gruftanlagen zu erstellen: Einzelgrüfte des Klerus und Adels (bereits im Mittelalter), Campisanti mit Grufthäusern (16. und 17. Jh.), Grüfte des Hochadels (ab dem 16. Jh.), Grüfte des niederen Adels (ab dem 16. Jh.), Klostergrüfte (ab dem 17. Jh.) sowie große städtische Kirchengrüfte (ab dem 18. Jh.). Die Gruftanlagen wurden sowohl auf ihre Form als auch auf ihren Inhalt hin untersucht. Beispiele von Grabbeigaben wie Kränze oder Eier, Hopfenbettungen, Sargverzierungen, Schmuckbeigaben oder auch Kreuzbandschnürungen stellen sowohl die Frage nach dahinter stehenden Praktiken und Ritualen als auch die sich daraus ableitende Haltung zum Leichnam. In diesem Zusammenhang
wurde auch die Bedeutung interdisziplinärer Forschungen deutlich, da hier u.a. Archäologie, Anthropologie, Biologie sowie historische Kulturwissenschaften zu einem wechselseitigen Erkenntnissgewinn beitragen.

Der Volkskundler Adrian Anton analysierte unter dem Titel „Der arme Tod: Sozial- und Zwangsbestattungen“ die Verknüpfungen von Armut und Bestattungskultur, besonders die Schwerpunkte Sozial- und Zwangsbestattungen. Es geht um die Frage, welche Auswirkungen Armut auf den Sterbeprozess von Menschen sowie auf die daran anschließenden Abläufe von der Bestattung bis zu Trauerprozessen hat. “Tod“ ist ein klar definierter Begriff, “Arm“ oder “Armut“ hingegen sind Bezeichnungen, die zahlreiche Bedeutungen, Interpretationen und Konnotationen zulassen. Die Frage ist hierbei, wer Armut wie und warum definiert. Der “arme Tod“ zeichnet sich seit jeher durch eine auffällige “Spurenlosigkeit“ aus, seien es die Massengräber mittelalterlicher Kirchhöfe oder anonyme Rasengrabflächen auf heutigen Friedhöfen. Die Beispiele von Sozial- und Zwangsbestattungen verdeutlichen, dass der Tod fest eingebunden ist in ökonomische Verwertungsstrategien. Wer über keine oder
nur geringe ökonomische Möglichkeiten verfügt, wird auch in seinen Möglichkeiten, den letzten Abschied zu gestalten, stark eingeschränkt. Eine zentrale These von Adrian Anton ist, dass Sozial- und Zwangsbestattungen ein komplexer normativer Charakter zugeschrieben werden kann, da sie Definitionen und Wertvorstellungen der Bedürfnisse und Rechte von (armen) Hinterbliebenen sowie Verstorbenen konstruieren und determinieren.

Die Volkskundlerin Susanne Möllers berichtete über die bisherigen Ergebnisse ihrer Studie „Bezahlbare Riten – immaterielle Arbeit und alternative Bestattungen“. Im Zuge der Modernisierung und Industrialisierung wurde den Menschen der Tod aus der Hand genommen („Enteignung des Todes“). Susanne Möllers begreift in Anlehnung an Michael Hardt und Toni Negri Modernisierung als Form der Vergesellschaftung unter dem Paradigma der Fabrik und stellt damit die gesellschaftliche Organisation der Produktion, also was und wie wir arbeiten, in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Sie zeigt den Zusammenhang der Fabrik als gesamtgesellschaftliches Leitbild der Arbeitsorganisation und dem Phänomen der Enteignung des Todes auf. Aktuell findet offensichtlich ein erneuter Umbruch im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer statt. Dieser Umbruch ist in vielerlei Hinsicht gegenläufig zur Enteignung des Todes, sie bezeichnet ihn deshalb als „Wiederaneignung des Todes“. In diesem Umbruch spielen alternative Bestatterinnen eine wichtige Rolle, ebenso wie die Hospizbewegung, die Aidshilfenbewegung und Trauergruppen. Susanne Möllers verfolgt die These, dass hier ein Zusammenhang mit Veränderungen im gesellschaftlichen Charakter der Arbeit besteht.

Die Abschlussdiskussion wurde vom Historiker Franklin Kopitzsch und dem Sozial- und Kulturhistoriker Norbert Fischer gestaltet. Franklin Kopitzsch fasste die Ergebnisse der Vorträge zusammen, indem er unter anderem auf die unterschiedlichen historischen “Milieus“ hinwies, in denen der Umgang mit dem Tod und den Toten vollzogen wird. Zugleich unterstrich er die Bedeutung von epochenspezifischen Mentalitäten, Glaubensvorstellungen und Naturbildern. Norbert Fischer ging auf die vielschichtigen materiellen Artefakte ein, in denen sich – neben den ideellen Zeugnissen der Kulturgeschichte – der Umgang mit dem Tod repräsentativ analysieren lässt. In der Diskussion wurde unter anderem auf die Notwendigkeit hingewiesen, die „langen Linien“ des Umgangs mit dem Tod im interdisziplinären Dialog herauszuarbeiten. Fachspezifische Eindimensionalitäten in der Forschung müssten vermieden und interdisziplinäre Netzwerke begründet werden – ohne die gegebenen Kompetenzen der Einzeldisziplinen dabei aufzugeben.

Der Workshop “Transmortale“ soll künftig jährlich stattfinden.

Adrian Anton, Norbert Fischer, Anna Götz, Susanne Möllers

Universität Hamburg

Fakultät für Geisteswissenschaften / Historisches Seminar

Arbeitsbereich Deutsche Geschichte / Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

Allende Platz 1

20146 Hamburg

Posted in Uncategorized | Tagged , , , , , , , , , , | Leave a comment